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Lesen für KohleWirtschaft

Kritische Auseinandersetzung mit einigen Thesen aus „Omnisophie“ von Gunter Dueck

By 12.10.08Juni 6th, 2010No Comments

Wie ich bereits in meiner Rezension des Buches Omnisophie beschrieben habe, hat mich das Buch sehr intensiv beschäftigt. Es enthält ein wunderschönes Gedankenmodell,, welches für mich neu war. Allerdings habe ich mich dann bei einigen Schlussfolgerungen von Dueck zunehmend unwohl gefühlt.

Ich stimme dem Modell mit dem neuronalen Netz als Erklärung des intuitiven Hirmteils zu. Auch die Modelle zu den beiden anderen Hirn- und Bewusstseinsbestandteilen sind einfach, elegant und erklären eine ganze Menge. Ich habe keine Ahnung, wie weit sich diese Ideen mit dem heutigen Stand der neuro-biologischen Forschung decken, habe aber bei einer Kurzrecherche auch nichts finden können, was dem grob widerspricht.

Ich glaube auch, dass bei den Menschen diese Hirnarten unterschiedlich stark ausgeprägt sind und alle nur denkbaren Ausprägungsarten und Mischformen der richtigen (rationalen) der wahren (intuitiven) und natürlichen (gefühlsbetonten) Menschen existieren.

Dueck ordnet sich selber als wahren Menschen ein. Dies prägt auch sehr stark seine Schlussfolgerungen aus diesem Modell. Er widersteht der Versuchung nicht, seine eigene Ausprägung als die grundsätzlich Bessere wahrzunehmen, auch wenn er immer wieder asudrücklich in dem Buch betont, dass dies nicht so ist.

Er kritisiert beispielsweise die Überbetonung des Richtigen in den Führungspositionen der Wirtschaft. Er scheint immer wieder enorm unter der Fuchtel der richtigen Menschen zu leiden.

Ich selber habe auch den empfohlenen Test auf keirsey.com absolviert. Ich bin ebenfalls ein eher intuitiver Mensch, allerdings mit einer stark ausgeprägten rationalen Komponente. Es versteht sich von selbst, dass ich dies für die ideale Daseinsform halte…

Insofern ist auch klar, dass ich einige Meinungen eines stark Intuitiven nicht teilen kann.

Intuition hat meiner Meinung nach folgende gravierende Schwächen:
Intuition wird sehr stark von der bisherigen Lebenserfahrung geprägt. Je nach dem, was der intuitive Mensch bisher erlebt hat, wurden die Wichte in seinem neuronalen Netz trainiert und eingestellt. Dies ist fast ausschließlich vom Zufall abhängig. Oder vom Schicksal, je nachdem, was man lieber glauben möchte. Ausschließen kann man jedenfalls, dass das Erlebte eines Menschen überwiegend vom freien Willen bestimmt wird, auch wenn das viele Menschen immer noch schwer zu verdauen ist.

Niemand von uns hat Kontrolle darüber, in welcher Zeit, in welcher Kultur, in welchem Land, bei welchen Eltern er aufwächst und gepägt wird. Ein neuronales Netz eines pakistanischen Einwohners eines Bergdorfes dürfte eine erheblich andere Prägung haben, als die eines Millionärssohnes aus New York.

Dies bedeutet allerdings: Es geht ein Eingangssignal (wahrscheinlich auch zufällig) in ein neuronales Netz, welches durch Zufall gewichtet und trainiert wurde. Heraus kommt ein Ergebnis, dessen Enstehung ich als Netzbetreiber nicht einmal nachvollziehen kann, was sich aber anfühlt, wie eine gute Grundlage für künftige Enscheidungen.

Auch wenn ich unterstelle, dass das neuronale Netz ein gutes Training hinter sich hat, verändert sich dadurch meine Schlussfolgerung nicht. Software Neuronale Netze haben unter anderem bei Börsenkursen gezeigt, dass sie durch optimales Training in der Lage sind, Muster zu erkennen und richtig in die Zukunft fortzuschreiben. Das funktioniert so lange gut, wie die alten trainierten Muster sich in der Zukunft wiederholen. Haben wir es mit einer grundsätzlichen Musteränderung zu tun, kommen aus einem neuronalen Netz Entscheidungen, die zu Katastrophen führen können.

Man kann kaum bestreiten, dass es einen Haufen sehr guter intuitiv getroffener Entscheidungen gibt. Man kann aber auch nicht bestreiten, dass es wahrscheinlich genauso viele verheerende intuitive Fehlentscheidungen gibt. Das Problem ist, dass sich die meisten Entscheider der Grenzen der intuitiven Entscheidungsmethode nicht bewusst sind.

Ob eine Entscheidung rational oder intuitiv getroffen wurde, sagt meiner Meinung nach überhaupt nichts über die zu erwartende Entscheidungsqualität aus. Ich bin keinesfalls der Meinung, dass rationale Entscheidungen eine bessere Ausbeute erzeugen. Dies hat überwiegend mit unseren eigenen Erkenntnis-, Denk- und Wissensgrenzen zu tun. Wir können nur eine sehr begrenzte Komplexität rational beherrschen. Vor allem nichtlineare Zusammenhänge und Wechselwirkungen von mehr als 2 Elementen tragen die rationale Denkweise sehr schnell an seine menschliche Grenze.

An dieser Stelle kann keine der beiden Strukuren einen klaren Sieg davon tragen.

Anders sieht es allerdings bei einem weiteren Aspekt aus. Intuitive Denkergebnisse liefern nicht den Weg mit, auf dem sie entstanden sind. Selbst wenn wir unterstellen, dass es ein gutes Ergebnis sein könnte, haben wir damit ein entscheidendes Problem. Entweder ich glaube einfach daran, dass das Ergbnis schon irgendwie richtig ist oder ich muss das Ergebnis rational nachvollziehbar gestalten, was erhebliche Arbeit nach sich zieht und gerade unter Zeitdruck selten leistbar ist.

Ein neuronales Netz erzeugt Ergbnisse aufgrund einer mehrdimensionalen Verschaltung mit Milliarden von Neuronen. Das erzeugt eine erhebliche Komplexität.

Diese Arbeit in einfacher Struktur nachvollziehbar zu machen ist oft nicht leistbar.

Damit entstehen folgende Probleme:

  • Die Ergebnisse sind ohne Rationalisierung nicht reproduzierbar.
  • Sie sind ohne Rationalisierung nicht multiplizierbar
  • Sie sind nicht ohne Rationalisierung nachprüfbar
  • Es ist unklar, auf welche ähnlichen Situationen das Ergebnis auch anwendbar sein könnte.

Das bedeutet, dass ich auf einen genialen intuitiven Denker ein Vielfaches an richtigen Menschen benötige, um die Arbeit der wahren Menschen besser verwertbar zu machen. Möglicherweise ist dies einer der Gründe dafür, dass heute in den meisten Organisationen die richtigen Menschen in Führungspositionen in der Mehrheit sind. Ich behaupte, dass eine Umkehrung des Verhältnisses nicht funktionieren würde. Davon abgesehen scheinen intuitive Menschen in der Bevölkerung ebenfalls in der Minderheit zu sein. Das könnte seinen Grund in einem mathematischen, evolutionär entstandenem Optimum haben.

Das Optimum soll nach Dueck an einem Polende liegen
Dueck führt aus, dass gute Leistungen an den Polen seines Modells zu finden sind. Menschen, die eher diffus in der Mitte zwischen den Polen angesiedelt sind, hätten erhebliche Nachteile.

Dies halte ich für völlig falsch (und zwar nicht nur, weil ich ebenfalls eher in der Mitte bin 🙂  )

Ich glaube im Gegenteil, dass gerade die Menschen, die nicht so klar zu positionieren sind, in vielen Dingen bessere Ergebnisse leisten können. Ein intuitiver Mensch, der sehr schwache Fähigkeiten in der Systematisierung hat, braucht immer andere Menschen, um sein Wissen produktiv werden zu lassen. Rein systematische Menschen mit erheblichen Defiziten im intuitiven Bereich, werden selten richtig gute Systeme schaffen können.

Ich glaube an die Kraft der Systeme. Sie prägen Menschen stärker als alles andere. Sie können die selben Menschen entweder zu blutrünstigen Bestien werden lassen oder zu sanftmütigen selbstlosen Helfern. Um Massen von Menschen zusammenleben lassen zu können, braucht man Systeme.

Umso wichtiger ist es, dass die Systeme, in denen wir leben gut sind. Gute Systeme zu entwerfen, ist allerdings eine hohe Kunst. Gute Systeme sind elegant, einfach, widerspruchsarm und umsetzbar. Das können Gesetze, Unternehmensregeln, Prozesse oder sonstige Systeme sein. Wer einal die Brillanz und Schönheit des Bürgerlichen Gesetzbuches (vor allem der ursprünglichen Vorschriften, die um 1900 herum geschrieben wurden), des Grundgesetzes (wieder ein Gesetz, dass überwiegend undemokratisch entstanden ist), eines gut gemachten Regelwerkes zur Unternehmensführung, der Struktur eines Wikis oder einer Software erkannt hat, ahnt, dass die Schaffung solcher Systeme eine kreative schon fast künstlerische Betätigung ist, die extrem vernetztes Denken erfordert.

Um gute Systeme schaffen zu können, braucht man Menschen, die sowohl eine gewisse Leidenschaft fürs Rationale mitbringen aber auch stark intuitiv veranlagt sind.

Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass Leistungsfähigkeit weniger damit zu tun hat, wie stark man Richtung richtig, wahr oder natürlich geprägt ist. Spitzenleistungen sind in jeder denkbaren Ausprägung gleich wahrscheinlich. In jeder Ausprägung gibt es brillante Menschen und Volltrottel.

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