Eine neue Studie der Harvard University bringt es auf den Punkt: Unternehmen, die generative KI einsetzen, stellen deutlich weniger Berufseinsteiger ein. Während Senior-Mitarbeitende von der Technologie profitieren, verschwinden die klassischen Einstiegspositionen – mit weitreichenden Folgen für junge Menschen und den Arbeitsmarkt insgesamt.
Die Datenlage ist beeindruckend: 285.000 US-Unternehmen mit über 62 Millionen Beschäftigten wurden von den Forschern Hosseini und Lichtinger untersucht. Ihr zentrales Ergebnis: Bereits 18 Monate nach Einführung generativer KI sinkt die Zahl der Junior-Neueinstellungen in betroffenen Unternehmen im Schnitt um 7,7 Prozent. Besonders betroffen ist der Groß- und Einzelhandel – hier brechen die Einstiegsjobs um bis zu 40 Prozent weg.
Doch die KI ersetzt nicht einfach Menschen – sie verändert den Modus der Personalauswahl. Massenentlassungen bleiben bislang aus, stattdessen werden schlicht weniger neue Mitarbeitende eingestellt. Gleichzeitig steigen bestehende Junior-Kräfte schneller auf. Wer einmal im System ist, hat also Vorteile. Wer draußen steht, hat es schwerer denn je, hineinzukommen.
Auffällig ist auch die soziale Schieflage: Absolventen mittlerer Universitäten sind am stärksten betroffen. Sie gelten in der Kosten-Nutzen-Rechnung der Unternehmen als am ehesten ersetzbar. Elite-Absolventen bleiben gefragt, und auch günstige Abschlüsse von weniger renommierten Hochschulen finden noch ihren Platz. Die Mitte verliert.
Ein Kernproblem liegt in der Natur der Aufgaben: Berufseinsteiger übernehmen meist standardisierte, kognitive Tätigkeiten – genau das Terrain, auf dem KI besonders stark ist. Erfahrungsbasierte, weniger leicht automatisierbare Arbeiten bleiben hingegen bei den Senior-Kräften. Diese übernehmen zunehmend die Rolle von KI-Validatoren und Entscheidungsträgern.
Die gesellschaftlichen Folgen zeichnen sich bereits ab: Die Jugendarbeitslosigkeit in den USA kletterte auf über 10 Prozent, die Arbeitslosenquote von Hochschulabsolventen liegt erstmals über dem nationalen Schnitt. Besonders dramatisch ist die Lage im IT-Sektor: Einstiegsstellen in Tech-Berufen sind um 38 Prozent eingebrochen.
Langfristig droht eine Verhärtung sozialer Mobilität. Wenn die untersten Sprossen der Karriereleiter fehlen, ist Aufstieg schwerer planbar – vor allem für jene, die keine familiären Netzwerke oder Elite-Backgrounds mitbringen. Die Studienautoren warnen davor, diesen Trend als Naturgesetz hinzunehmen. Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Politik müssten jetzt reagieren – mit neuen Berufsbildern, alternativen Einstiegswegen und einer Debatte über fairen Zugang zur Arbeitswelt.
Quelle: F.A.Z.