Täglich neue Zwischenfälle, zunehmend komplexe Bedrohungslagen: Deutschland sieht sich einem regelrechten Dauerangriff auf seine kritische Infrastruktur ausgesetzt – physisch wie digital. Laut Sicherheitsexperten und Behörden wie dem Verfassungsschutz befindet sich das Land inzwischen in einer „akuten hybriden Notsituation“. Flughäfen, Bahnstrecken, Stromnetze und Kommunikationssysteme geraten immer häufiger ins Visier von Saboteuren, Cyberkriminellen und ausländischen Geheimdiensten.
Jüngstes Beispiel: Eine Attacke auf die IT-Firma Collins Aerospace, die gleich mehrere europäische Flughäfen lahmlegte – darunter auch Berlin BER. Ähnlich alarmierend: gezielte Kabelsabotage bei der Bahn, Stromausfälle durch Anschläge auf Hochspannungsleitungen oder Drohnen, die Flughäfen in Dänemark und Skandinavien stören. Der neue Verfassungsschutzchef Sinan Selen warnt: Deutschland werde „angegriffen“, und die hybride Bedrohung wachse stetig.
Infrastruktur als Zielscheibe geopolitischer Interessen
Insbesondere Russland, aber auch China, Nordkorea und der Iran setzen auf die systematische Destabilisierung demokratischer Staaten – durch Spionage, gezielte Desinformation, Cyberangriffe und physische Sabotage. Die Täter agieren oft unerkannt im Schatten, infiltrieren Netze schleichend und nutzen gewonnene Informationen, um reale Operationen vorzubereiten. Laut BSI gab es allein im letzten Jahr über 700 gemeldete Vorfälle mit erheblichem Schadenpotenzial.
Die Problematik: Viele Betreiber von Infrastruktur – vom Flughafen bis zum kommunalen Energieversorger – seien laut Experten wie Dennis-Kenji Kipker noch immer schlecht vorbereitet. Reifegrade in der Angriffserkennung bleiben auf niedrigem Niveau, Notfallpläne fehlen oder sind unzureichend.
Gesetzesoffensive gegen Sicherheitslücken
Als Reaktion auf die wachsende Bedrohung wurde jüngst das KRITIS-Dachgesetz verabschiedet. Es soll Betreiber kritischer Infrastruktur zu mehr Schutzmaßnahmen und einheitlichen Standards verpflichten. Doch viele Herausforderungen bleiben ungelöst – etwa die Frage der Finanzierung oder die lückenhafte personelle Ausstattung vor allem im kommunalen Bereich.
Sicherheitsforscher fordern zusätzlich moderne Frühwarnsysteme, mehr Objektschutz – und den Einsatz von Drohnen zur Überwachung abgelegener Anlagen. Ein Modellprojekt in Naumburg zeigt, wie digitale Alarmsysteme und behördenübergreifende Vernetzung funktionieren könnten. Doch bis flächendeckend solche Schutzmechanismen greifen, bleibt die Lage fragil.
Fazit: Deutschland ist nicht vorbereitet auf das, was längst Realität ist – einen stillen, vielschichtigen Krieg gegen seine Infrastruktur. Die Zeit der Warnungen ist vorbei, jetzt zählt Widerstandsfähigkeit.
Quelle: FAZ – „Deutschland befindet sich in einer akuten hybriden Notsituation“