Immer mehr Nutzer berichten, dass ihre negativen, aber sachlich formulierten Bewertungen auf Google spurlos verschwinden. Selbst wenn Erfahrungsberichte nüchtern und ohne Beleidigungen verfasst sind, genügt oft schon eine Beschwerde von Restaurants oder Dienstleistern, um sie entfernen zu lassen. Google begründet die Löschungen regelmäßig mit „Diffamierung“ – einem Begriff, der im deutschen Recht gar nicht existiert.
Das Beispiel von Levin Geyer in Hamburg steht stellvertretend für ein wachsendes Problem: Nach einem enttäuschenden Restaurantbesuch schrieb er eine kritische, aber sachliche Bewertung – sie wurde nach einer Beschwerde gelöscht. Fälle wie seiner häufen sich, vor allem in sozialen Medien. Nutzer berichten von standardisierten Mails von Google und dem Gefühl, mundtot gemacht zu werden.
Dabei soll der Meldeprozess ursprünglich dazu dienen, unwahre Behauptungen oder Beleidigungen zu unterbinden. Und ja, es gibt Fälle von Bewertungsmissbrauch. Doch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat eine Vielzahl gelöschter Einträge untersucht, die alle nachvollziehbar und frei von Schmähungen waren. Beispiele reichen von rohen Chicken Nuggets bis hin zu unfreundlichem Service am Valentinstag. Dennoch: gelöscht.
Der IT-Rechtsanwalt Niko Härting hält viele dieser Löschungen für unbegründet. Aussagen wie „die Ente war langweilig“ seien Meinungsäußerungen und rechtlich zulässig. Das Problem: Für Google ist die Moderation ein Massengeschäft. Aus regulatorischer Vorsicht wird im Zweifel gelöscht – auch, weil die Plattform sonst selbst haftbar gemacht werden könnte.
Besonders problematisch ist, dass hinter den Löschwellen zunehmend professionelle Dienstleister stecken. So genannte „Löschagenturen“ werben aktiv bei Restaurants, Ärzten und Händlern und versprechen gegen Bezahlung die Entfernung kritischer Bewertungen – oft mit sehr hoher Erfolgsquote. Das bedeutet: Wer genug zahlt, kann sich einen sauberen Bewertungsdurchschnitt erkaufen.
Die Entwicklung wirft grundlegende Fragen auf: Wenn legitime Kritik verschwindet, wird das Bewertungssystem zur Farce. Google gerät damit zwischen die Fronten von Meinungsfreiheit, Plattformhaftung und wirtschaftlichem Interesse – mit klarer Tendenz zur Zensur auf Knopfdruck.
Quelle: FAZ