Wikipedia ist für viele die erste Anlaufstelle, wenn es um schnelle Informationen geht – ob zur höchsten Erhebung Schwedens oder zur Zahl der Levi’s-Läden weltweit. Doch eine systematische Untersuchung der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) zeigt: Mindestens ein Drittel der Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia enthält veraltete oder falsche Informationen. Das liegt nicht an bösem Willen, sondern an einem strukturellen Problem: Es fehlen schlichtweg Menschen, die mithelfen.
Über 1000 zufällig ausgewählte Artikel wurden für die Analyse mithilfe von KI und menschlicher Prüfung durchleuchtet. Das Ergebnis ist ernüchternd: Rund 20 Prozent der Beiträge enthalten nachweislich nicht mehr aktuelle Angaben – viele davon seit Jahren. Weitere 15 Prozent sind sogar von Anfang an mit fehlerhaften Informationen online gegangen. Dabei fallen die meisten Fehler kaum auf. Viele Nutzer merken es schlicht nicht, weil es keine offensichtlichen Warnhinweise gibt.
Die Wikimedia-Stiftung wiegelt ab: Wikipedia sei schließlich kein Nachrichtenportal, sondern eine Enzyklopädie. Doch die Realität sieht anders aus. Artikel, die eigentlich grundlegendes Wissen liefern sollen – etwa zur EU-Kommission oder zur Geografie europäischer Länder – sind oft hoffnungslos veraltet. In einem besonders krassen Beispiel wurde das Wikipedia-Wissen zur Stadt Mechernich seit der Flutkatastrophe 2021 nicht mehr angepasst.
Die Ursachen liegen auf der Hand: Während die Zahl der Artikel weiter wächst (über drei Millionen), schrumpft die Zahl der aktiven Freiwilligen. Von ehemals fast 11.000 Aktiven sind heute nur noch rund 6000 übrig. Neue Inhalte entstehen schneller als alte gepflegt werden können. Zudem werden die Aufgaben der Community komplexer – vom Schutz vor Vandalismus bis zur Eindämmung von Desinformation.
Lösungsansätze gibt es, etwa vom Organisationsforscher Leonhard Dobusch. Er plädiert dafür, bezahlte Redakteure einzusetzen – ähnlich wie bei Hilfsorganisationen, wo Hauptamtliche und Ehrenamtliche gemeinsam wirken. Mit den Spendeneinnahmen – rund 18 Millionen Euro im letzten Jahr – ließe sich das durchaus finanzieren. Doch innerhalb der Wikipedia-Community gilt bezahlte Mitarbeit bisher als Tabu.
Auch Künstliche Intelligenz ist keine Lösung – zumindest noch nicht. Die F.A.S.-Studie zeigt, dass KI-Modelle oft ebenso danebenliegen wie Wikipedia selbst. Kein Wunder: Viele von ihnen wurden mit Wikipedia-Daten trainiert – inklusive der darin enthaltenen Fehler.
Was also tun? Wikipedia bleibt ein guter Ausgangspunkt für Recherchen, aber kein verlässlicher Endpunkt. Nutzer sollten die Quellenangaben prüfen, Informationen gegenchecken – und im Zweifel selbst korrigieren. Denn letztlich steht und fällt die Qualität der Wikipedia mit dem Engagement der Menschen, die sie schreiben. Nicht mit dem Geld.
Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Artikel vom 5. Juli 2025