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AllgemeinPolitik

Teil 2 Interview mit Markus Beckedahl für das DNAdigital Politikbuch

By 08.07.09Juli 11th, 2009No Comments

Weiter gehts mit dem 2. Teil. Den ersten findet ihr hier. Es wird noch mindestens einen dritten Teil geben.

FR: Ich habe den Eindruck, dass die Politiker insgesamt nur sehr schwach auf die Technikkompetenten, vor allem auf die Blogger reagieren und sich kaum darum kümmern, was sie so sagen. Teilst Du diesen Eindruck und wenn ja, worauf führst Du das zurück?

MB: Wir haben immer noch eine digitale Spaltung in unserer Gesellschaft. Und in der Politik scheint die digitale Spaltung noch ausgeprägter zu sein. Das liegt auch an dem hohen Durchschnittsalter unserer Politiker. Es gibt über alle Fraktionen hinweg wenige Politiker, die über Netz-Kompetenz verfügen und eine Technologie-Folgeabschätzung ihrer Gesetze richtig treffen können. Leider wird auch zu wenig Netz-Expertise von Außen eingeholt. In den Anhörungen zu Netzpolitik-relevanten Gesetzen sitzen in der Regel nur Juristen, aber kaum Techniker und schon gar keine Blogger. Gleichzeitig leben viele Politiker noch in der alten Medienwelt und sehen das Internet nur als großen Gefahrenherd. Hier erleben wir eine breite Kluft zwischen den Menschen, die das Netz in ihr Leben integriert haben und denjenigen, die von außen mit vielen Ängsten auf diese neue digitale Gesellschaft blicken. Wünschenswert wäre ein größerer Dialog zwischen diesen beiden Gruppen, um bessere Rahmengesetzgebungen für die digitale Gesellschaft zu schaffen.

FR: Diese Begründung, dass die Politiker einfach keine Ahnung vom Netz haben, hört man ziemlich häufig von Bloggern. Könnte es nicht auch eine Rolle spielen, dass Politiker Blogger einfach nicht ernst nehmen, weil sie sich immer nur auf sich und ihre Bloggerei beziehen und schwierige Themen wie beispielsweise Sozial- Sicherheits- und Wirtschaftspolitik schlicht nicht in der Blogosphere stattfinden? Don Alphonso argumentiert ja immer wieder mal in diese Richtung.

MB: Warum sollten Politiker nicht auf Blogger bei Netz-relevanten Themen hören? Immerhin wissen diese oft kompetent über das Thema Bescheid und stehen Politiker-Anfragen auch offen gegenüber. Nur kommen diese nicht. In der Sozial- Sicherheits- und Wirtschaftspolitik hören Politiker doch auch gerne Experten aus den jeweiligen Themenfeldern an. Die genannten Themen werden übrigens noch recht gut vom traditionellen Journalismus behandelt. Natürlich wäre es schön, wenn mehr Blogger darüber schreiben werden. Aber im Bereich der Netzpolitik gibt es im traditionellen Journalismus eher wenig Berichterstattung und Blogger füllen diese Nische. Das Thema Netzpolitik ist im Übrigen nicht weniger schwierig oder weniger komplex als andere politische Themen. Wenn Politiker den Rat von Experten nicht ernst nehmen, müssen sie sich nicht wundern, wenn sie im Gegenzug von diesen weniger Ernst genommen werden. Insofern teile ich die Argumentation nicht, dass Politiker nicht auf Blogger im Themenfeld Netzpolitik hören, nur weil diese nicht auch soviel über Sozialpolitik schreiben.

FR: Ich glaube, jetzt nähern wir uns einem kritischen Punkt. Ich bin selber begeisterter Blogleser. Außer Deinem Blog netzplitik.org wüsste ich jetzt aber wirklich keinen weiteren, dem ich heute auf Anhieb ansehe, dass sich dahinter Expertise in Netzpolitik verbirgt. Machen es nicht die meisten anderen Blogger den Politikern es unglaublich schwer, hinter den zum Teil heftig polemischen Beiträgen Expertise zu erkennen?

MB: Ich kenne viele gute politische Blogs innerhalb meines Themenfeldes. Viele davon sind nicht aus Deutschland und fast alle deutschsprachigen konzentrieren sich auf ein Nischenthema innerhalb der Netzpolitik und zeigen dort eine Menge Expertise. Diese aggregieren wir meist auf netzpolitik.org. Dazu gibt es Unmengen an weiteren Blogs. Viele Blogger schreiben über Themen, die sie interessieren. Das ist oftmals klassische Anschlusskommunikation, die es früher auch schon gab. Aber die Kommunikation und die damit manchmal verbundene Polemik wurde früher oft nicht sichtbar, weil sie nur am Stammtisch oder im Bekanntenkreis artikuliert wurde. Ein Politiker sollte daher in der Regel in der Lage sein, Expertise auch bei Bloggern zu erkennen, wie bei „normalen“ Bürger-, Journalisten- oder Lobbyistenanfragen auch.

FR: Kannst Du ein paar Beispiele konkret benennen?

Um nur mal eine handvoll Beispiele zu bringen: Alvar Freude bloggt über Netzzensur auf blog.odem.org, Patrick Breyer über Datenschutz auf daten-speicherung.de, zum selben Thema bloggt auch Jens Ferner auf datschutzbeauftragter-online.de, Rechtsfragen der Informationsgesellschaft thematisiert telemedicus.de und ebenfalls über juristische Netzpolitik-Themen bloggt Thomas Stadler auf internet-law.de. Dazu kommen noch viele gute Blogs, die einen viel breiteren Themenfocus haben und manchmal was Gutes zu Netzpolitik bloggen.

FR: Dann haben wir es ja mindestens mit zwei unterschiedlichen Problemem zu tun. Es gibt kompetente Blogger im Bereich Netzplitik, auf welche die Politik nicht hört und dann haben wir die ganzen kompetenten jungen Menschen, die sich sehr gut mit den vielfältigen anderen politischen Feldern auskennen aber nicht darüber bloggen. Hast Du eine Idee, warum man diese im Internet so gut wie nicht finden kann?

MB: Ich wundere mich z.B. seit Jahren, warum es noch kein gutes Umweltschutz-Blog in Deutschland gibt. Dabei gibt es viel mehr, auch junge, Experten rund um das Thema als in der Netzpolitik. Diese nutzen wahrscheinlich noch nicht so sehr das Netz, um auch zu senden, sondern eher als Informations- und Kommunikationsraum. Das wird sich sicherlich noch ändern.

FR: Hast Du den Eindruck, dass das politische Engagement bei den Internetnutzern gerade anwächst?

MB: Ja und das freut mich sehr. Vor einigen Jahren konnte man „die üblichen Verdächtigen“ in der Netzpolitik an wenigen Händen abzählen. Angefangen hat es richtig mit der Kampagne gegen Softwarepatente Anfang des Jahrtausends, die tatsächlich auf EU-Ebene und durch das Netz vernetzt diese Gesetzgebung aufgehalten und verhindert hat. Die Kampagne gegen die Vorratsdatenspeicherung brachte dann 2007 15.000 Menschen zu einer Demonstration für digitale Bürgerrechte in Berlin zusammen. 2008 steigerte sich das noch auf rund 70.000 Demonstranten vor dem Brandenburger Tor und rund 34.000 Menschen schlossen sich der größten Massenklage in der Geschichte des Bundesverfassungsgericht gegen die Vorratsdatenspeicherung an. Und dieses Jahr haben 134.000 Menschen die größte ePetition in der Geschichte des ePeitionsservers des deutschen Bundestages gezeichnet. Im Rahmen der Zensursula-Kampagne haben sich viele zum ersten Mal politisch im Netz geäußert. Nicht alle davon tun das regelmäßig, die meisten nur wenige Male, aber es ist trotzdem ein Zeichen dafür, dass das politische Engagement bei den Internetnutzern anwächst. Es wurde auch endlich Zeit, dass viele sich einmischen und Stellung beziehen: Aktuell werden die Rahmenbedingungen für die digitale Gesellschaft geschaffen. Und das von Politikern, die im digitalen Zeitalter noch nicht angekommen sind. Das betrifft uns Alle, die wir schon das Netz in unser Leben integriert haben.

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